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Nandi Berlin – Leonie Arau und Vanessa Engelkes bringen handgemachte Schätze aus aller Welt nach Deutschland

von Hannah
Die beiden Gruenderinnen des Nandi Berlin Leonie Arau und Vanessa Engelkes vor dem Laden

Die Gründerinnen: Leonie Arau und Vanessa Engelkes

Nandi Berlin ist ein kleiner, mit viel Liebe hergerichteter Laden in Berlins Szenebezirk Prenzlauer Berg. Das merkt man schnell, denn die beiden Gründerinnen Leonie Arau und Vanessa Engelkes wählen all ihre Produkte mit viel Sorgfalt aus. Der enge Bezug zu den Handwerkern und der Herkunft der Produkte, sowie der freundschaftliche Kontakt zu den Kunden, ist den beiden enorm wichtig.

Leonie wurde in Barcelona geboren, Vanessa in Lima. Berlin ist jedoch seit über 10 Jahren ihr Zuhause. Durch ein Praktikum beim Modemesseunternehmen Premium lernten sich die beiden kennen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte keine der beiden, was sie einige Jahre später auf die Beine stellen und erleben würden. Die beiden Reisebegeisterten haben mit Nandi einen Wohlfülladen geschaffen, indem sich jeder Fernwehpatient sein Lieblingsstück ferner Länder nach Hause holen kann – ganz ohne Zollkontrolle, Platznöten im Koffer und wohlwissend wer die Produkte hergestellt hat. Vanessa und Leonie reisen regelmäßig in die Berge Mexikos, um sich gemeinsam mit den Handwerkern über neue Farben für ihre selbst produzierten Quesadilla Taschen auszutauschen. Mittlerweile beziehen sie ihre Produkte aus über 15 Ländern und lernen u.a. immer wieder “Spannendes” über Zollvorschriften für die Einlieferung von Waren aus Kenia, Indonesien und co. 

Nandi Berlin: Eine Erlebnisreise im Concept Store

Die Freundschaft von Leonie Arau und Vanessa Engelkes entwickelte sich langsam und natürlich – genau wie ihr gemeinsames Baby Nandi.

Was 2016 als Online Shop startete ist nun ein heimischer Concept Store mit sorgfältig selektierten Lieblingsstücken. Ob Bekleidung, Accessoires oder Home Decor, bei Nandi Berlin findet jeder Liebhaber sein Herzensteil. 

In diesem Interview erzählen uns Leonie Arau und Vanessa Engelkes, warum sie binnen kürzester Zeit neben dem Online-Shop ein Ladengeschäft eröffnen mussten, was ihre größten Hürden im Vertrieb sind, warum sie trotz Momenten des Zweifels und der Sorge ihre Selbstständigkeit lieben und was ihre Pläne für die Zukunft von Nandi sind.

Overview: Leonie und Vanessa, erzählt uns doch kurz ein bisschen über Euch. Was habt ihr vor Nandi Berlin gemacht?

Leo: Ich habe Marketingkommunikation hier in Berlin studiert und schließlich im Marketing bei einem Mode Designer gearbeitet. Vor der Gründung von Nandi Berlin arbeitete ich noch bei einer Fitnesskette im Marketing. Ich bin schon immer gerne gereist und habe irgendwann gemerkt, dass mich mein Job nicht wirklich glücklich macht. Nachdem ich das realisiert habe, habe ich recht schnell gekündigt und bin noch einmal auf eine längere Reise gegangen. Nach meiner Rückkehr haben Vanessa und ich dann eigentlich schon Nandi Berlin gegründet.

Vanessa: Als Kind bin ich viel mit meiner Familie umgezogen und kam daher bereits früh mit unterschiedlichen Kulturen und Traditionen in Kontakt. Mich faszinierten schon immer handgefertigte Textilien und die Geschichten dahinter.

In Berlin habe ich über 10 Jahre als Eventmanagerin gearbeitet. Von Sportevents bis hin zur Berlinale, aber auch viele Veranstaltungen im Modebereich gehörten dazu. In der Studienzeit haben Leonie und ich uns dann kennengelernt. Während eines gemeinsamen Praktikums hatten wir zwar nicht viel Kontakt, aber als wir auf danach zusammen bei einer einer Modemesse gearbeitet haben, begann unsere Freundschaft. Unsere beruflichen Wege gingen danach auseinander. Wir begannen jedoch viel mit- aber auch unabhängig voneinander zu Reisen. So kam es, dass Leonie und ich vor etwa 5 Jahren zusammen in Marokko waren. Wir waren damals schon nicht richtig zufrieden mit unseren Jobs. Nach der Reise hatten wir dann schon grob eine Idee was wir machen wollten und waren bereits auf dem richtigen Weg.  

Die Gründung von Nandi war dann irgendwie spontan, aber es fühlte sich richtig an.

O: Wofür steht Nandi?

Leonie: Nandi steht für handgemachte Schätze und Geschichten aus der ganzen Welt.

Ich hatte schon immer eine Passion für handgemachte Produkte und Textilien und habe stets viele Dinge beim Reisen gesammelt und Souvenirs mitgebracht. Dementsprechend haben wir Nandi aus Mitbringseln und privaten Schätzen gestartet. Ich hatte aus meiner Asien Reise einzigartige laotische Produkte und Vanessa viele Textilien aus Peru mitgebracht. 

Vanessa: Der direkte Kontakt zu den Handwerkern ist uns sehr wichtig. All unsere Produkte sind Herzensprodukte. Es ist so schön, die Handwerker vor Ort zu besuchen und ihnen zuzuschauen, wie sie diese immer noch traditionell herstellen. Sie beherrschen Flechtweisen, die über hunderte oder tausende Jahre überliefert wurden.

O: Wie kamt ihr auf den Namen Nandi? Hat er eine spezielle Bedeutung?

Vanessa: Wir hatten ursprünglich einen anderen Namen und wollten alles richtig machen. Das Patentamt klärte uns darüber auf, dass es den Namen bereits gäbe und wir verklagt werden könnten. Das war zwei Wochen bevor wir online gehen wollten. Nun musste ein neuer Name her, der verständlich und einfach auszusprechen ist uns aber auch nicht definiert. Und dann kam uns Nandi in den Sinn. Witziger Weise hat es in vielen Sprachen eine unterschiedliche Bedeutung. Nur Gutes zum Glück, aber die Hauptbedeutung für uns kommt aus dem Sanskrit नन्दी, nandī, m., und bedeutet „der Glückliche“.

O: Was waren eure Stolpersteine in der Gründungsphase oder auch jetzt noch? 

Leonie: Mittlerweile haben wir Produkte aus 15 Ländern und man lernt immer wieder etwas dazu. Jedes Land hat seine eigenen Herausforderungen. Vor Ort kann es Komplikationen geben, kulturelle Missverständnisse bleiben nicht aus, Lieferungen bleiben irgendwo stecken und auch hier in Deutschland gibt es einige Tücken. Sei es der Zoll, der uns die Ware nicht herausgibt, weil wir schon wieder etwas in dem Papier-Wirrwarr falsch ausgefüllt haben oder dort die Handwerker, die sich dachten, dass gelb besser aussieht, als das angeforderte rot. Es gibt immer Überraschungen. Wir versuchen stets effektiv und kosteneffizient zu wirtschaften, deswegen haben wir beispielsweise nun eine Speditionsfirma, die sich um die Zollpapiere kümmert. Das kostet erst einmal etwas mehr, aber erspart uns Zeit, die wir für anderes nutzen können und vor allem Energie und Kopfschmerzen.

Es klärt einen ja auch leider keiner auf. Beispielsweise brauchen wir seit kurzem für die Einlieferung unserer Produkte aus Kenia keinen Zoll zu zahlen, aber das muss man auch erst mal erfahren. Der Zoll ist wirklich ein riesiges Thema, aber das erdet einen.

Unsere Handwerker in Mexiko sitzen beispielsweise in den Bergen, fernab von der Stadt und so hat DHL auch oft Schwierigkeiten sie zu finden. Es bleibt wirklich immer spannend.

Vanessa: Kulturell haben wir vor allem in Marokko einige Schwierigkeiten. Unsere Raffia Sandalen waren dort unser erstes Produkt. Das Geschäftliche wird zu 99% mit Männern gemacht. Anfangs nahm uns auch keiner ernst, aber das hat sich mittlerweile geändert. Es hat wirklich lange gedauert, bis wir die Handwerkerinnen, die unsere Schuhe weben, auch persönlich kennenlernen durften. In vielen Ländern sind es meist Frauen, die die Produkte herstellen und freuen sich auch, uns ihr Handwerk zu zeigen.

Der direkte Austausch mit den Handwerkern ist für uns sehr wichtig. Wir arbeiten nicht gerne mit Mittelsmännern oder Händlern.  Man muss aber dafür auch schon öfter vor Ort sein und mit den Handwerkern über das Produkt und Qualität sprechen, sonst kann es vorkommen, dass wir am Ende ein Produkt geliefert bekommen, welches nicht unseren Ansprüchen entspricht. Das alles sind Faktoren, die sich im Preis widerspiegeln. Klar kann man sagen, man hat das gleiche Produkt auf einem lokalen Markt in dem Land für günstiger gesehen, aber da weiß man auch nie woher diese Waren wirklich herkommen und ob die Qualität stimmt.

O: Eure Produkte sind teils existierende Produkte und teils selbst entworfen. Von was lasst ihr euch denn inspirieren oder folgt ihr den nächsten Modetrends?

Leonie: Wir schauen nicht auf Trends oder gehen auf Messen und kaufen dort Sachen ein. Im Gegenteil, unsere Produkte sind eher zeitlos. Es sind Produkte, die es schon jahrelang in der Form gibt und einfach bestehen bleiben.

Auch Magazine kaufen wir normalerweise nicht, bis auf die eine Ausgabe der Vogue in der unsere Quesadilla Bag Erwähnung fand. Wir lassen uns von Textilbüchern aber natürlich auch Online, wie beispielsweise von Pinterest, inspirieren. Wenn uns ein bestimmtes Material oder ein Land gefällt, schauen wir, was es für lokale Produkte bereits gibt und modifizieren diese dann nach unseren Ansprüchen und den Bedürfnissen unserer Kunden (Bspw. Schuhform und Größen, Farben, etc.). Alle Produkte, die wir hier bei Nandi haben, lieben wir. Es gibt nichts, was wir nicht selber gerne haben möchten. Wir suchen uns Produkte aus, die wir selber haben wollen und tragen. Wir müssen beide zu 100% dahinter stehen. Es sind wirklich alles Herzensprodukte.

O: Was ist das Schönste an Eurem Job?

Leonie: Das Schönste ist, wenn der Kunde rein kommt und sieht, dass alles handselektiert ist und zueinander passt. Man merkt im Laden, wie viel Liebe im Laden drin steckt. Das ist wirklich ein überwältigendes Feedback. Außerdem schätzen unsere Kunden die Nähe zum Produkt. Zu jedem Teil gibt es eine Anekdote und das finden sie toll. Wir kaufen nie zu viel ein, deswegen kann es mal vorkommen, dass beliebte Produkte nachbestellt werden müssen und das kann unter Umständen dauern. Aber unsere Kunden warten gerne und freuen sich, sobald ihr Lieblingsteil eingetroffen ist.

O: Wie kamt ihr auf die Idee einen Concept Store zu eröffnen? Hier liegt das finanzielle Risiko schließlich viel höher, als bei einem Online-Shop.

Vanessa: Wir haben mit einem Onlineshop gestartet. Ohne Marketing-Budget und Social Media Kenntnissen. Leider blieb der erhoffte Erfolg und der erwartete Ausverkauf all unserer Produkte über Nacht aus. Da waren wir vielleicht etwas blauäugig. Wir bekamen zunehmend das Feedback, dass die Kunden unsere Produkte anfassen und sich persönlich von der Qualität überzeugen wollten. Das Erlebnis bleibt natürlich beim Onlineshop aus. Innerhalb von nicht mal zwei Monaten haben wir dann eine Ladenfläche gefunden, den Vertrag unterschrieben, und die Möbel mit Familie und Freunden selbst gebaut, um dann kurz vor der Weihnachtszeit aufzumachen. Das Weihnachtsgeschäft war wichtig für uns. Wir hatten natürlich auch viel Glück, denn wir hätten niemals gedacht, dass wir den Laden bekommen würden. 

O: Ist Influencer Marketing wichtig für euch?

Leonie: Obwohl ich Marketing studiert habe, kannte ich mich wenig mit Online Marketing und Social Media aus. Als ich meinen Bachelor gemacht habe, war das Thema noch recht unbefleckt. Aber glücklicher Weise wohnen ein paar Blogger und Influencer hier in der Gegend und kamen vorbei. Als dann Jessie von Journelles vorbeikam und bei Instagram über uns postete, waren wir beispielsweise mit einer unseren selbstproduzierten Tasche über Nacht ausverkauft.

Instagram ist ganz klar ein wichtiges Marketing Tool. Daher haben wir viel an unserer Bildwelt bearbeitet und gemerkt, dass wir natürlich auch visuell digital präsent sein müssen.

O: Wie teilt ihr euch die Aufgaben auf und habt ihr viele Angestellte?

Leonie: Wir machen eigentlich alles zu zweit und die Zuständigkeiten sind etwas vermischt. Grob kann man sagen: Social Media und Kommunikation mache ich und Finanzen liegen bei Vanessa. Wir arbeiten mit einer freiberuflichen PR Beraterin, die uns seit Beginn des Jahres unterstützt. Wir haben Aushilfen, die hier ab und zu im Laden stehen, vor allem wenn wir unsere Handwerker besuchen und an neuen Produkten arbeiten. Ohne den Laden könnten wir uns Nandi nicht mehr vorstellen, aber wir arbeiten natürlich parallel weiterhin an unserem Onlineshop. Wir wollen definitiv wachsen, jedoch organisch. Wir besprechen stets alles im Laden, da wir kein Büro haben. Das ist leider nicht ganz optimal. Dennoch fällt es uns schwer, unser Baby ein stückweit loszulassen und in andere Hände abzugeben. Auch unsere Kunden sind schon etwas verwöhnt. Sie sehen uns stets im Laden und wir kennen viele unserer Kunden auch beim Namen.

Man kennt auch mittlerweile den Geschmack des Kunden und kann ihnen neue Produkte zeigen und Anekdoten erzählen. Das schätzen unsere Kunden sehr. 

O: Was ist euer Tip für diejenigen, die auch einen realen Shop eröffnen wollen, aber zu viel Angst vor den Risiken haben?

Vanessa & Leonie: Einfach machen! Es war für uns auch komplettes Neuland und wir mussten uns eigentlich alles selbst beibringen. Na klar ist es nicht einfach und zeitintensiv. Und man macht Fehler, aber lernt auch daraus. Am Ende lohnt sich die Arbeit und macht Spaß. Wir könnten uns beide nicht mehr vorstellen in eine Festanstellung zurückzukehren, es sei denn, es gäbe keine Alternative. Wir sind ganz froh, dass wir Nandi zu zweit machen, aber man muss dann natürlich auch sicherstellen, dass wir zwei von den Einnahmen leben können. Es gibt diverse Gründungshilfen. Auch wir haben einen kleinen Kredit aufgenommen und sind bereits daran ihn abzuzahlen. Darauf sind wir schon stolz.

Natürlich gibt es auch Tage, da läuft es nicht ganz so gut und Existenzängste hat man ganz klar auch. Aber das macht jeder Selbstständige durch und unser Wille ist einfach stärker, als die Angst.

Danke liebe Vanessa und liebe Leonie für das schöne Interview und all die tollen Produkte! Als Weltenbummlerin fühle ich mich in eurem Laden wie auf einer Reise meiner eigenen Reiseerinnerungen. 

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