Zu Gast bei Yves Saint Laurent
Am dritten Oktober letzten Jahres öffnete das Yves-Saint-Laurent Museum Paris seine Pforten. Und auch als unwissender Passant war klar: Hier ist etwas Großes im Gange. Denn die Schlange an begeisterten Besuchern reichte ungelogen einmal um den ganzen Block.
Auf solch ein Getümmel hatte ich aber nun wahrlich keine Lust und ließ also etwas Zeit vergehen, bevor ich selbst der Ausstellung einen Besuch abstattete. Letzte Woche war es dann soweit und ich betrat voller Vorfreude das schicke Foyer des Museums.
Ein langer Weg
Das ehemalige Hotel diente von 1974-2002, knapp dreißig Jahre lang als Haute-Couture Werkstatt des berühmten Modemachers. Die Stiftung, die Saint Laurent mit seinem langjährigen Weggefährten Pierre Bergé ins Leben gerufen hat, sichert den Erhalt dieses nationalen Kulturguts. Denn das Museum ist nicht einfach nur als Monographie des Hauses zu sehen, sondern vermittelt gleichzeitig die Geschichte der Haute Couture und einen Lebensstil vergangener Zeiten.
Saint Laurent, der mit 21 Jahren jüngster Leiter des Hauses Dior wurde und später sein eigenes gründete, war ein Feingeist. Er schöpfte seine Inspiration aus seinen Reisen, anderen Kulturen, den Menschen, die ihn umgaben und gestaltete viele Kollektionen als Hommage an die Modegeschichte, wie z.B. dem Mittelalter oder den goldenen Zwanzigern.
Ein Juwel der Modegeschichte: Auch der Schmuck von Fashion Shows und Shootings wird hier gezeigt
Das Museum besteht aus einer Art Retrospektive, einem Parcours seiner Vita und temporären Ausstellungen, die thematisch ausgerichtet sind. Die Besucher werden in intimer Atmosphäre empfangen und das authentische eingerichtete Museum versetzt einen in den Arbeitsalltag des Hauses. Das Studio mit seinen Stoffrollen, Zeichnungen auf den Tischen und aufgeklappten Büchern wirkt so, als hätte Saint Laurent es nur kurz für seine Mittagspause verlassen. Der in Algerien geborene Designer las schon in seiner Kindheit begeistert große Werke der Literatur und die Modezeitschriften seiner Mutter. Das Studio verfügt nun über eine kleine Bibliothek und bietet Anregungen zum Nachschlagen.
Das Studio: Hier entstanden die neuen Kollektionen
Zwischen Museum und Kino
Aufnahmen erzählen von Fittings und Show-Vorbereitung und zeigen: Genau da, wo du jetzt stehst, probierte eine Model einst die neue Kreation an. Viele Filmvorführungen laden zum Verweilen an und zeigen ehemalige Shows, Interviews mit Mitarbeitern und das Leben und Wirken Saint Laurents. So erleben Zuschauer noch einmal die Highlights der Catwalks, erfahren mehr über die Beziehung Bergé-Saint-Laurent und bekommen einen Einblick in die Entstehung, Vermarktung und den Verkauf eines Entwurfs. Daneben gibt es natürlich auch die traumhaften Kleider zu sehen, die hier entstanden sind. Dabei zeigte sich das Haus oft als Vorreiter: Mit dem Smoking, dem Trench Coat und der Safari-Jacke gingen die Kollektionen in Richtung Unisex und emanzipierten so seine Trägerin von den konservativen Vorstellungen. Außerdem ließ der Franzose als erster schwarze Models für sich laufen, wie eine ehemalige Angestellte berichtet.
Und das zeigt vor allem eins: Es ging ihm nicht nur um Mode, sondern vor allem um die Menschen. Dabei wirkte das Mode-Talent oft introvertiert, sprach nicht viel und zog sich zum Arbeiten zurück. Am häufigsten tat er das in seinem Haus in Marrakech, wo er jeden Sommer hin verschwand, um die neue Kollektion zu entwerfen. Die Stadt, das Land und die Leute waren einer Oase der Inspiration und Erholung für ihn, aber wie er selbst sagt, habe er die schönsten Reisen mit einem Buch auf seiner Couch erlebt.
Zeitreise: YSL widmete Antike, Mittelalter und der Belle Epoque viele Entwürfe
Wer außerhalb dieses Artikels einen Ausflug in Saint Laurents Welt unternehmen möchte:
Öffnungszeiten des YSL Museums
Von Dienstag bis Sonntag im
Musée YSL Paris
5 avenue Marceau
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