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Außergewöhnliches

Traumjob: Cyberkriminologe. Thomas-Gabriel Rüdiger kämpft für Sicherheit im Netz. Zum Schutz deiner Kinder.

von Hannah
Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Ruediger beim Interview vor der Kamera

Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger

Thomas-Gabriel Rüdiger ist Cyberkriminologe. Das klingt erstmal sehr nach Hollywood Film, aber dennoch ziemlich interessant und sogar etwas geheimnisvoll. Tatsächlich gibt es auch nur zwei Menschen mit dieser Berufsbezeichnung auf der Welt. Thomas-Gabriel Rüdiger ist einer davon. Studiert hat Thomas-Gabriel Rüdiger an der FH der Polizei des Landes Brandenburg und mit dem Diplom absolviert. Anschließend hat er seinen Master für Kriminologie in Hamburg gemacht. Seine Mission, und so kann man es tatsächlich nennen, ist ganz klar: Kinder im Internet schützen. Er selbst spielte oft Onlinegames und kennt sich aus mit den Gefahren, die dort lauern. Ob Terrorismus oder Sexualstraftaten, in dieser Parallelwelt passiert viel. Wegschauen ist gefährlich, denn auch dein Kind hält sich im Internet auf!

Kinderspielplatz Internet  

Durch Satire-Influencerin Toyah Diebel (Instagram: @toyahgurl) bin ich auf Thomas-Gabriel Rüdiger aufmerksam geworden. Toyah hat in ihrem Podcast ‘Toyah aber billig’ in (bis dato) drei Folgen das Thema ‘Sicherheit im Internet’ gemeinsam mit dem Cyberkriminologen erörtert. Der aktuellste Hackerangriff auf Politiker und Prominente macht deutlich: das Internet ist nicht sicher – für niemanden! Und schon gar nicht für Kinder. Im Gegenteil. Seit dem ich das erste Mal in Chatrooms unterwegs war, (ca. 2000, also vor 19 Jahren!) hat sich nur eines verändert: Der Informationsaustausch geht noch viel schneller, als damals! Schnell sind Bilder und Informationen von Minderjährigen im World Wide Web publiziert. Entweder veröffentlicht von Kindern selbst. Denn meist wissen sie es selbst nicht besser. Denn kompetente Aufklärung durch Erwachsene gibt es meist nicht. Oder es sind die Erwachsenen selbst, die sich keine Gedanken um die Konsequenzen machen (wollen). Das Thema ist komplex, schwierig und daher umso diskussionsbedürftiger. Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger schreckt hiervor nicht zurück. Er kämpft energisch dafür, aufzuklären und das Internet für unsere Kinder sicherer zu machen. Wie man Cyberkriminologe wird, trotz viel Arbeit die Zeit findet mehrere Bücher zu veröffentlichen und was wir konkret für mehr Sicherheit im Netz tun können, erzählt uns Thomas-Gabriel Rüdiger im Interview.

Overview: Polizist, Kriminalist, Kriminologe. Wie wird man was, und wo liegen die Unterschiede?

Thomas-Gabriel: Das ist gar nicht so einfach zu erklären. Zunächst beschäftigen sich alle drei Berufsgruppen mit Kriminalität. Polizisten sind dabei eher die Allrounder und möchten Menschen vor Gefahren schützen und gleichzeitig Täter überführen. Kriminalisten sind in fast allen Fällen spezialisierte  Polizisten, die nach einer Tat versuchen aufzuklären wer der Täter war. Ein Klassiker hierfür ist Sherlock Holmes. Hierzu studiert man bzw. wird an den Polizeihochschulen ausgebildet.

Kriminologen sind hingegen Wissenschaftler, die versuchen zu erforschen warum Kriminalität entsteht, wie Recht funktioniert und warum jemand zu einem Täter oder einem Opfer wird. Schlussendlich versuchen Kriminologen aus diesen Erkenntnissen Vorschläge für die Prävention aber auch z.B. für die Politik und die Gesetzgebung abzuleiten. Im Gegensatz zu Kriminalisten sind viele Kriminologen vorher keine Polizisten gewesen, sondern z.B. Juristen oder auch Psychologen. Dadurch ist die Kriminologie häufig intradisziplinär aufgestellt.

Kriminologie kann man typischerweise erst dann studieren, wenn man bereits ein anderes einschlägiges Studium wie Jura, Psychologie oder wie in meinem Fall Polizeidienst absolviert hat. Es gibt in Deutschland nur drei relevante Masterstudiengänge in Kriminologie in Bochum, Greifswald und in Hamburg. Ich selbst habe in Hamburg studiert und es auch nie bereut.

O: Was hat dich an der Kriminologie besonders gereizt?

T-G: Zunächst muss ich sagen, dass für mich der Polizeiberuf tatsächlich immer eine Berufung war. Es ist aber so, dass ich mir als Polizist immer viele Fragen gestellt habe rund um Kriminalität, die ich mir nicht richtig beantworten konnte. Wie z.B. Warum werden Menschen die ich verhafte überhaupt Kriminelle? Warum hat derjenige bspw. gestohlen, obwohl er es nicht nötig hätte. Zudem ändert die einzelne Polizeiarbeit an den grundlegenden Bedingungen zur Entstehung von Kriminalität nur bedingt etwas. Das Kriminologiestudium versprach mir hierauf Antworten und Erkenntnisse zu grundlegenden Zusammenhängen zwischen Kriminalität, Recht und Gesellschaft.

O: Du bist sehr engagiert, trittst im Fernsehen auf, bist auf Konferenzen und hast bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Woher nimmst du die Energie?

T-G: Ich habe immer ein gewisses Gerechtigkeitsempfinden und halte das, was ich tue für sinnvoll. Daraus schöpfe ich die Energie. Es gibt gerade im Internet so viele Risiken und Probleme. Vor allem auch im Zusammenhang mit Kindern. Ich frage mich immer, warum niemand wirklich etwas dagegen unternimmt und warum das nicht klar angesprochen wird. Da ich auch selbst Vater bin, möchte ich dabei helfen diese Situation zu ändern. Ich möchte ein für Kinder rudimentär geschütztes digitales Aufwachsen ermöglichen. Eines muss ich aber auch sagen, meine Familie und viele Kollegen und Freunde unterstützen mich wirklich sehr und stehen mir auch zur Seite. Ohne diesen Rückhalt und den vielen Menschen, die immer Zeit finden mit mir neue Thesen aber auch Risiken zu besprechen, könnte ich das alles nicht.

Overview: Warum ist es so schwierig für Sicherheit im Internet zu sorgen?

T-G: Das Problem fängt schon mal damit an, dass es im Internet keine Grenzen gibt. Wer wäre für die Sicherheit im Netz zuständig, wenn doch in jedem Land andere Gesetze herrschen? Selbst wenn man sagt, das deutsche Recht greift auf jeden deutschen Staatsbürger, der im Internet Unrechtes tut. Was, wenn dieser deutsche Staatsbürger jedoch auf anderen Sprachen kommuniziert oder seinen Wohnsitz im Ausland hat? Das ist nicht umsetzbar. Auch Unternehmen zu regulieren ist schwierig. Beispielsweise könnte man sagen, dass die Webseiten in Deutschland registrierter Unternehmen gewisse Gesetze einhalten müssen. Erfährt das Unternehmen in diesem Zusammenhang einen wirtschaftlichen Schaden (erhöhte Kosten, weniger Nutzen), würden sich diese Unternehmen schnell ins Ausland absetzen. Und das wiederum würde einen ökonomischen Schaden für Deutschland bedeuten. Je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr wird einem bewusst, wie komplex das Konstrukt Internet eigentlich ist. Was wir brauchen ist ein globales Normverständnis. So, wie beispielsweise das Stop-Schild. Das Stop-Schild hat weltweit dieselbe Bedeutung und ist somit grenzenlos verständlich. Ich gehe beispielhaft davon aus, dass der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch die Keimzelle eines solchen globalen Verständnisses sein könnte. Da kann sich kaum ein Land rausnehmen. Aber, wenn man ein solches globales digitales Strafrecht hätte, braucht es auch eine Institution. Eine Art digitale Polizei, die diese Regeln durchsetzt. Sonst bringt es nichts.

O: Wie kann ich konkret mein Kind vor den Gefahren im Internet schützen?

T-G: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Wichtigste jedoch voran: Aufklärung! Verbote bringen nichts und führen meist zum Gegenteil. Kinder werden schon sehr früh an die digitale Welt herangeführt, denn das wird auch deren Zukunft und Berufswelt sein. Umso wichtiger ist es, sich selbst den Gefahren bewusst zu sein und seinem Kind den sicheren Umgang beizubringen. Ähnlich wie du deinem Kind beibringst, nicht bei rot über die Straße zu gehen oder nicht zu Fremden ins Auto einzusteigen. Gleichzeitig müssen wir aber auch als Gesellschaft das Internet als solches sicher gestalten. Warum gibt es z.B. kaum ein Programm, dass das Alter seiner Nutzer tatsächlich effektiv verifiziert. Heute ist es normal, dass Kinder mit unbekannten Erwachsenen im Netz unkontrolliert kommunizieren. Dies wird viel zu selten thematisiert.

  1. Interesse zeigen und reden. Geht in den offenen Dialog mit euren Kindern. Erkundigt euch, welche Computerspiele sie spielen, in welchen Chats und Foren sie sich aufhalten, welche Apps sie nutzen und welche Videos sie sich ansehen.
  2. Werdet Experten. Kinder reizen oft und gerne Grenzen aus. Merken sie, dass sie die Oberhand haben, wissen sie diese Macht genau für sich zu nutzen. Lasst euch nichts vormachen und zeigt euren Kindern, dass sie euch auch in Sachen Onlinegames und co. nichts vormachen können. Ladet euch die Lieblingsapps selbst runter, spielt das beliebte Onlinegame oder lest euch in die Foren ein. Keine Zeit ist keine Ausrede. Wir alle haben gleich viel Zeit und es gibt immer ein paar Minuten, die man dafür aufbringen kann. Es geht schließlich um die Sicherheit deines Kindes.
  3. Kinder aufklären. Verfügt ihr über die Wissenshoheit, könnt ihr eure Kinder besser aufklären. Das Kind kommt also gar nicht erst in die Gelegenheit euch etwas vorzumachen, denn es merkt, dass ihr mehr Ahnung habt. Außerdem vertrauen euch die Kinder somit mehr und holen sich eher Rat bei euch, bei zwielichtigen Ereignissen.
  4. Seid Vorbilder. Wenn ich selbst mein Kind wie wild bei Instagram poste oder als Profilbild bei Whatsapp einsetze, wird es umso schwerer meinem Kind beizubringen auch vorsichtig beim Posten zu sein. Seid Euch also Eurer Vorbildfunktion immer bewusst.

O: Was können wir sonst noch tun, um für die Politik mehr Druck aufzubauen?

T-G: Jeder kann Politiker, Firmen etc. direkt ansprechen und auf Missstände aufmerksam machen. Damit kann der Druck erhöht werden. Beispielhaft wurde jüngst eine Dokumentation auf ARD über die Risiken von Kinderbildern im Internet erst um 23:30 Uhr (!!) ausgestrahlt. Hier könnte nachgefragt werden, ob die Sendung nicht zu einer früheren Uhrzeit ausgestrahlt werden könnte. Je besser die Sendezeit, desto mehr Zuschauer. Gleichzeitig kann auch jeder über soziale Medien und auch im Freundeskreis relevante Medienberichte verbreiten und damit die Sensibilität erhöhen. Auch sollten Menschen Straftaten im Internet häufiger zur Anzeige bringen. Studien zufolge denken viele, dass das bei Internetdelikten nichts bringen würde. Je mehr Delikte aber angezeigt werden, umso größer besteht die Chance, dass die Sicherheitsbehörden auch mehr Ressourcen für diese Bereiche zugewiesen bekommen. Und natürlich freuen sich Polizisten, und alle anderen die sich für solche Themen einsetzen, auch immer über ein paar nette Worte.

Get an overview with Thomas-Gabriel Rüdiger

Lieblingsgericht:

Guter Burger

Wie sieht Dein Masterplan aus?

Ich will es in den nächsten Jahren schaffen, dass im Internet das Konzept einer digitalen Generalprävention umgesetzt wird und langfristig will ich weitere kriminologische Erklärungsansätze für Kriminalität im Netz erarbeiten.   

Das schönste Kompliment, das Du jemals bekommen hast?

Du bist ein toller Vater.

Wie wäre der Mensch der das komplette Gegenteil von Dir ist?

Ruhig, zwanghaft ordentlich, introvertiert und vollkommen analog.  

Rückblickend, was würde dein 70-jähriges Ich über dich heute sagen?

Zu viel Zeit mit der Arbeit verbracht und zu ungeduldig, aber das richtige Ziel vor Augen.

Das lange Gespräch mit dem Cyberkriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger war unglaublich informativ und aufschlussreich. Wir werden euch mit weiteren Beiträgen zum Thema Sicherheit im Netz versorgen und auch auf schwierige Themen mehr eingehen. Wir finden dies vor allem darum wichtig, weil es auch eine digitale Welt außerhalb der Influencer-/Blogger-Illusion gibt. Dick-Pics, Cybergrooming, Missbrauch von #InstaKids-Bildern, wir alle kennen das und wir alle müssen etwas tun, damit sich in Sachen Sicherheit und Privatsphäre etwas ändert.

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