Er war Produzent jetzt ist Henri Purnell Social-Media-Star und Sänger
Von Jim Koch
Ein 25-jähriger, der leidenschaftlich häkelt, singt und Musik produziert. Henri Purnells Lebenslauf ist einzigartig. Jetzt hat der Berliner auch noch seine Debüt EP „M.I.A“ veröffentlicht und damit gleich einen Hit gelandet. Auf Spotify, Tiktok und Instagram begeistert er Hunderttausende.
Overview: Henri, woher kommt dein Interesse an Musik, an deinen Instrumenten Klavier und Saxophon?
Henri Purnell: Auf jeden Fall durch meine Mutter. Sie hat mir und meinen Schwestern schon früh Musik nahegebracht und auch selbst Klavier gespielt. Deshalb haben auch wir als Kinder schon viel Musik gemacht. Von sieben bis 17 Jahren habe ich dann auch eine Musikschule besucht und Klavierunterricht genommen. Ich habe aber früh gemerkt, dass ich lieber eigene Lieder komponieren und weniger nachspielen wollte. Deshalb habe ich schon damals bei Konzerten der Musikschule als einziger eigene Lieder vorgetragen. Mit dem Saxophon habe ich zu Beginn des Gymnasiums angefangen, da ich in einer Bläserklasse war und jeder ein Instrument zugewiesen bekommen hat. Zudem habe ich während meiner Schulzeit mit zwei Freunden eine Band gegründet, die sich dann aber mit der Zeit verlaufen hat.
Wie bist du dann Producer geworden, kann man das lernen?
Henri Purnell: Na klar, vor allem in der technischen Hinsicht, wenn es beispielsweise in Richtung Sound-Engineering geht. Was man meiner Meinung nach eher nicht lernen kann, ist der kreative Aspekt dabei, also einem Song das gewisse Etwas zu verleihen. Ich habe Produzieren gelernt, in dem ich am Anfang meiner Karriere viel von anderen Künstler:innen abgeschaut, aber auch selbst viel Musik gehört habe. Besonders hat mir geholfen, wenn ich gemeinsame Sessions mit erfahreneren Künstler:innen hatte und mich mit ihnen austauschen konnte. Aber auch durch YouTube Tutorials und selbst Rumprobieren habe ich viel gelernt.
Wie entstanden die Verbindungen zu anderen Künstlern und die gemeinsamen Sessions?
Henri Purnell: Also bei mir hat das 2015 durch Soundcloud angefangen. Dort konnte man Songs hochladen, ohne ein Label zu haben. So habe ich meine ersten Songs rausgebracht. Mit der Zeit haben sich dort Independent Labels gemeldet, die eine größere Reichweite hatten. Dort wurden einige meiner Songs veröffentlicht. Über diese Labels habe ich dann viele Künstler:innen mit ähnlicher Musik kennengelernt. Mit ihnen habe ich mich dann getroffen oder übers Internet ausgetauscht. Heute läuft das alles über Social Media.
Deine ersten Songs, die du produziert hast, stammen alle aus dem Genre der elektronischen Musik. Warum genau diese Musikrichtung?
Henri Purnell: Nach dem Abi bin ich auf viele Festivals gegangen. Dort lief oft Deep House und elektronische Musik. Das habe ich zu der Zeit dann auch viel gehört. So richtig geweckt wurde mein Interesse durch die DJs auf den großen Bühnen. Mein Traum war es auch mal auf so einer Bühne zu stehen und aufzulegen. Mein großes Vorbild ist mittlerweile der Singer/Songwriter „RoleModel“aus Protland US. Ich finde seine Herangehensweise und seine Musik cool, ich mag wie er Texte schreibt und offen kommuniziert. Verbunden mit ihm hat mich auch, dass wir beide Diabetes haben. Durch Corona hat sich mein Musikgeschmack dann aber stark verändert und ich habe kaum noch elektronische Musik gehört oder produziert. Zu dem Zeitpunkt habe ich mit TikTok angefangen und bin dann auf die Indie/ Band-Schiene umgestiegen.
Wann hast du dich entschieden Musik als Vollzeitjob zu machen und hattest du gar keine Angst, dass das schiefgehen könnte?
Henri Purnell: Naja, erstmal hatte ich ja angefangen Gesundheitswissenschaften zu studieren, weil es mich sehr interessiert hat und auch kein zu voll gepacktes Studium war. Aber nach einer Weile habe ich gemerkt, dass das Studium eher zweitrangig für mich war und die Musik im Vordergrund stand. 2018 hatte ich dann meinen Uni-Abschluss in der Tasche und habe mich selbstständig gemacht. Dabei wurde ich sehr von meiner Mutter, die ebenfalls selbstständig ist, unterstützt. Es fiel mir tatsächlich auch nicht so schwer, da ich auf SoundCloud schon recht erfolgreich war und Geld verdient habe. Dementsprechend hatte ich weniger Bedenken.
Anfangs hast du nur Songs mit anderen produziert, inzwischen singst du auch deine eigenen Songs. War die Überwindung groß auf einmal selbst zu singen?
Henri Purnell: Ja sehr! Ich hatte früher in der Schulband schon viel gesungen – noch vor meinem Stimmbruch. Ich wurde dafür damals öfters gehänselt. Zudem fand ich meine Stimme im Vergleich zu vielen anderen nie so besonders und habe deshalb lange nicht versucht selbst zu singen. Seit sich mein Geschmack in Richtung Indie geändert hat, fällt es mir leichter auch selbst zu singen, da der Gesang bei diesem Genre nicht ganz so wichtig ist. Es geht eher um das Gefühl, die Freiheit und den Spaß beim ganzen Projekt. Zum Singen gekommen bin ich, als wir 2021 im Studio waren, aber nur ein Songwriter und Produzent, aber kein Sänger da war. Beim gemeinsamen Schreiben habe ich dann mitgesungen und der Produzent hat mich gefragt, warum ich nicht einfach selbst singe. An dem Tag ist spontan der erste Song „Beautiful Day“ meiner ersten e.p. entstanden. Ich habe dann eine Woche lang aufgenommen, es meinem Management gezeigt, die sofort begeistert waren. Das Feedback meiner Community war auch echt unnormal und ich freue mich sehr, dass die Leute meine Musik und meinen Gesang so gut aufnehmen.
In den Sozialen Medien sieht man dich aber zumeist gar nicht beim Singen, sondern zuerst beim Häkeln. Du häkelst Blumen, Schmetterlinge, Lampenschirme, Decken, Pullis und vieles mehr. Ein ziemlich ungewöhnliches Hobby oder?
Henri Purnell: Ich bin 2020 durch mein Management auf TikTok gelandet und habe dort mit Musikcontent angefangen, der aber wenig Anerkennung bekommen hat. Mit dem Beginn von Corona war dann eh alles rund um die Musik erstmal auf Eis gelegt und ich wollte etwas Neues probieren. So habe ich mit DIY-Content angefangen und viel Upcycling gemacht. Ich habe Second-Hand-Klamotten gekauft und sie bestickt. Darüber bin ich zum Häkeln gekommen. Das ist dann viral gegangen und hat den Leuten super gefallen. Ich hatte dann die Idee das Häkeln mit meiner Musik zu verbinden. So ist beispielsweise auch mein EP-Cover entstanden. Das hat mir einfach super viel Spaß gemacht.
Musik und Häkeln könnten für die meisten wohl kaum weiter voneinander entfernt liegen. Wie bist du darauf gekommen, dass du beides verknüpft hast?
Henri Purnell: Also bei meiner ersten EP wusste ich noch gar nicht, dass ich dazu häkeln werde. Aber wir haben überlegt, wie wir meine Musik mit meinem Social-Media Content verbinden können. Irgendwie sind wir darauf gekommen, dass ich Motive zu den Songs häkeln könnte. Und das habe ich dann gemacht. Bei der zweiten EP schreiben wir gerade erst einmal ganz viele Songs. Aber dann werde ich auch dazu häkeln. Mir kommen jetzt schon ganz viele Ideen, was für ein Teil ich zu welchem Song machen könnte.
Im Januar erscheint dein erstes Häkel-Buch. Worum geht es darin und was ist dein Lieblingsmotiv?
Henri Purnell: In dem Buch kann man meine Projekte, die ich zu meiner Musik gemacht habe, finden und nachhäkeln. Natürlich sind auch noch einige weitere Motive dabei. Es ist aber nicht nur eine pure Anleitung, sondern liefert auch Hintergrundwissen zu den Songs. Mein Lieblingsmotiv ist der Schachbrettpullover, den ich auch auf meinem EP-Cover trage. Den fand ich am coolsten. Er ist meiner Meinung nach auch der interessanteste aller Looks.
Das neue Jahr hat gerade begonnen. Was sind deine Ziele für 2023?
Henri Purnell: Bald kommt meine zweite EP raus. Die Musik wird auf jeden Fall ganz anders, weg von den Songs, die sich vor der Realität verstecken. Ich gehe eher auf Konfrontationskurs. Danach soll es hoffentlich Live-Auftritte geben und ich werde meine erste Tour durch Deutschland machen. Im Hintergrund arbeiten wir schon an der Umsetzung – zum Beispiel, wie ich das Bandgefühl meiner Songs mit auf die Bühne bringen kann.
Wenn du zwischen deinen Leidenschaften wählen müsstest – Musik, Social Media, Häkeln – wie würdest du dich entscheiden?
Henri Purnell: Definitiv für Musik! Social Media ist in mancher Hinsicht sehr toxisch. Man achtet viel auf Zahlen und vergleicht sich mit anderen. Klar passiert das in der Musik auch, aber deutlich weniger und auf eine gesündere Art. Langfristig ist Musik auch das, worauf ich hinarbeiten möchte und Social Media ist da eher ein Tool. Häkeln ist ein cooles Hobby, was gerade super mit allem zusammenpasst, aber die Musik wird bei mir immer im Vordergrund stehen.
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