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Frag eine Apothekerin – Im Interview über Viren und Bakterien

von Faina

Insiderwissen einer Virologin

Einen Apotheker oder eine Apothekerin in der Familie zu haben, kann viele Vorteile haben. Jemand, auf dessen Meinung man sich zu Arzneimitteln und Inhaltsstoffen verlassen kann und dem man bei gesundheitlichen Sorgen mehr vertraut als dem eigenen Arzt, kann für ein Gefühl von Sicherheit sorgen. So geht es auch mir mit meiner Schwester, die als Apothekerin meinerseits gerne mal für das Überprüfen von Inhaltsstoffen in Kosmetika zu Rate gezogen wird. Aber auch in Zeiten, in denen die Zukunft recht ungewiss ist und das Corona Virus nun Bestandteil unser aller Leben geworden ist, ist es doch vorteilhaft, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse für mehr Fakten statt Panik und Verschwörung sorgen. Wie sagt man so schön: Wissen ist Macht. Allerdings sollte das Wissen nicht mit einer Meinung verwechselt werden. Auch Sätze, wie „Also, ich habe gehört, dass..“ werden wie bei dem Spiel „Stille Post“ dann im Laufe der Zeit inhaltlich modifiziert.

Über COVID-19 und die Arbeit mit Viren

Seit dem Ausbruch des Corona Virus sind Meinungen gespalten und Menschen getrennt, vor allem nun auch räumlich. Ich habe meiner Schwester Margarita Voskanian einige Fragen zu dem Virus und ihrem Beruf gestellt, denn statt uns um Klopapier zu streiten, sollten wir uns lieber nach Wissen reißen.

Overview: Wer bist du und wie war dein bisheriger Werdegang?

Margarita Voskanian: Ich heiße Margarita und bin Apothekerin. Ich habe Pharmazie an der Freien Universität Berlin studiert und habe neben dem Studium bei der Formula GmbH gearbeitet, die zum Beispiel Qualitätskontrollen, Entwicklungen von neuen Formulierungen oder auch generell Reformulierungen von Arzneiformen durchführt. Dabei geht es beispielsweise um die Veränderung der Darreichungsformen des Arzneistoffes, wie Tabletten, Kapseln und Ampullen, um die Stabilität und Haltbarkeit eines Arzneimittels zu verbessern.

Nach dem Studium kam das praktische Jahr, von dem ich ein halbes Jahr in der Apotheke und ein halbes Jahr in der Industrie absolviert habe. Es folgte das dritte Staatsexamen und die Qualifikation zur Qualified Person, auch Sachkundige Person genannt. Voraussetzung dafür sind zwei Jahre Erfahrung in einem Betrieb mit Herstellungserlaubnis und qualitativer sowie quantitativer Analytik. Daraufhin wurde ich stellvertretende sachkundige Person für die GHD Compounding Berlin und habe parallel mit meiner Doktorarbeit am Robert Koch-Institut in der Virologie begonnen, die ich vor kurzem eingereicht habe.

O: Wie ist das Studium aufgebaut und wann ist man „ApothekerIn“?

Margarita Voskanian: Das Studium dauert vier Jahre und ist mit dem zweiten Staatsexamen beendet. Danach folgt das praktische Jahr. Nach dem zweiten Staatsexamen trägt man den Titel Pharmazeut und darf zum Beispiel in der Industrie oder Forschung tätig sein. Allerdings darf man keine Apotheke betreiben oder in einer tätig sein.
Um in einer Apotheke tätig sein zu dürfen, muss nach dem praktischen Jahr das dritte Staatsexamen absolviert werden. Erst danach erhält man die Zulassung und den Titel Apotheker. Ein Apotheker ist also der, der befähigt ist, Arzneimittel an den Kunden abzugeben.

O: Wovon handelt deine Doktorarbeit?

Margarita Voskanian: Momentan warte ich noch auf das Gutachten und die Verteidigung meiner Dissertation, aber ich habe mich mit der Untersuchung der Pathogenesemechanismen von verschiedenen Orthopockenviren beschäftigt. Dabei habe ich mit zoonotischen Orthopockenviren gearbeitet, also mit denen die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Ratten sind beispielsweise häufig Überträger von Kuhpockenviren, die dann entweder direkt auf den Menschen oder von Ratten über Katzen auf den Menschen übertragen werden. Die humanpathogenen Pockenviren, die von Mensch zu Mensch übertragen wurden, wurden Ende der 70er Jahre ausgerottet, aber Infektionen mit Kuhpockenviren werden in Deutschland zunehmend gemeldet.

O: Welche Vorteile bringt dir dein Wissen im Alltag?

Margarita Voskanian: Ich kann vieles selbst beurteilen und mich dadurch auf mein eigenes Wissen verlassen. Sei es beim Arzt oder wenn Familie und Freunde Hilfe und Informationen brauchen, wenn es um Arzneimittel geht. Zudem verstehe ich, welche Inhaltsstoffe in Kosmetika und Nahrungsmitteln zum Teil versteckt werden und weiß dadurch genau, was ich meinem Körper zuführe. Produkte mit enorm langen Listen schaue ich mir selten an. Meine Faustregel: Je weniger, desto besser. Das ist tendenziell ein Tipp für jeden, der sich nicht so gut mit den „toxisch“ klingenden Inhaltsstofflisten auskennt.

Bei Kosmetika verzichte ich außerdem gern auf Silikone, denn dadurch können beispielsweise pflegende Inhaltsstoffe nicht gut in die Haut eindringen. Cremes, Seren und Co. legen sich wie ein Film auf die Haut oder um die äußere Haarstruktur. Das führt zu einem so genannten Okklusionseffekt, d.h. die Feuchtigkeit in der Haut sammelt sich und kann nicht entweichen. Dasselbe passiert, wenn man Vaseline aufträgt, was bei trockener Haut beispielsweise natürlich nicht verkehrt ist. Bevor man also auf Inhaltsstoffe achtet, sollte man zuerst seine Haut kennenlernen, um zu verstehen, was sie braucht und was nicht.

Bei Nahrungsmitteln versuche ich weniger gesättigte Fettsäuren zu konsumieren und wenig Zucker aufzunehmen. Ansonsten achte ich darauf, eher Proteine, Gemüse und komplexere Kohlenhydrate aufzunehmen, denn die erhöhen den Blutzuckerspiegel nicht so schnell. Komplexe Kohlenhydrate findet man beispielsweise in Kartoffeln, Haferflocken und Vollkornbrot.

O: Momentan hören wir viel über Viren – welche Rolle haben Bakterien und Viren für den Menschen?

Margarita Voskanian: Der Mensch hat eine natürliche Mikroflora, sei es auf der Haut oder im Darm zum Beispiel. Letztendlich halten uns unsere Bakterien gesund. Sie sorgen dafür, dass unsere Haut ihren Schutzmantel beibehält und unsere Verdauung einwandfrei funktioniert. Viren haben wir allerdings keine im oder am Körper von Natur aus.

O: Was sind Viren und Bakterien denn überhaupt?

Margarita Voskanian: Bakterien sind Mikroorganismen mit einem eigenen Stoffwechsel und sind quasi etwas Lebendiges. Viren hingegen haben keinen eigenen Stoffwechsel und bestehen wie ein Baustein aus Proteinen, Fetten, manchmal auch Kohlenhydraten und dem entsprechenden Erbgut. Außerdem unterscheidet man zwischen RNA- und DNA-Viren. SARS-CoV-2, also das Coronavirus, gehört zu der Gruppe der RNA-Viren während Herpes zum Beispiel ein DNA-Virus ist.

O: Haben Viren einen Vorteil für den menschlichen Körper?

Margarita Voskanian: An sich sind Viren krankheitserregend, aber man versucht einen Nutzen aus ihnen zu ziehen. Es werden zum Beispiel modifizierte Viren in Gentherapien bei Erbkrankheiten eingesetzt. Auch in der Onkologie, also bei Krebspatienten, können modifizierte Viren in den Tumor injiziert werden, um die Tumorzellen gezielt zu zerstören.

O: Wie schätzt du die bisherigen Maßnahmen ein?

Margarita Voskanian: Vorsicht ist immer besser als Nachsicht. Wenn wir jetzt aufeinander achten und Rücksicht nehmen, sinkt die Zahl von Neuinfektionen und das Gesundheitssystem wird entlastet. Außerdem bekommen Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen mehr Zeit das Virus besser kennenzulernen.

O: Könnten Medikamente knapp werden?

Margarita Voskanian: Ich denke nicht. Die meisten Arzneimittel werden aus China importiert und bisher ist nicht die Rede von einem Aufnahmestopp von Arzneistoffen und Arzneimitteln aus China. Sich jetzt vorsorglich mit irgendwelchen Arzneimitteln einzudecken ist genauso sinnlos wie das Bunkern von Mundschutzmasken, die nun an anderer Stelle fehlen könnten: Im Krankenhaus beim medizinischen Personal oder in Forschungseinrichtungen.

O: Deine Tipps, um sich zu schützen?

Margarita Voskanian: Hände waschen, Hände aus dem Gesicht und in die Armbeuge Husten und Niesen. Diese Information kann vermutlich niemand mehr hören und trotzdem sieht man Menschen, die anderen frech ins Gesicht husten oder halb in die Hand niesen. Das wäre ja in Ordnung, wenn man sich die Hände direkt danach waschen würde, aber mit der feuchten Hand im Supermarkt nach dem perfekten Apfel zu suchen, den Fahrstuhl zu rufen oder die Tür vom Café zu öffnen, ist schlichtweg fahrlässig.

Neben der hygienischen Maßnahmen sollte man außerdem viel trinken. Die Viren sammeln sich vor allem im Rachen und lösen so erst den symptomatischen trockenen Reizhusten aus. Zu guter Letzt das Immunsystem stärken: Viel Obst und Gemüse, Vitamin C aus frischen Zitronen, Sport, um das Herz-Kreislauf-System zu stärken und ein ausgewogener Schlaf.

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