„Wir werden Frauenfußball aus der Mitleidsecke holen und die Spiele zu einem Event machen.“
Natalie Portman, Serena Williams, Jennifer Garner und Eva Longoria haben es vorgemacht: Sie gründeten 2020 den Angel City FC in Los Angeles. Der Frauenfußballverein sorgt seither weltweit für Furore und spielt seit dieser Saison in der US National Women’s Soccer League. Fußball von Frauen für Frauen. Die wohl bekannteste Gründerin Deutschlands, Verena Pausder, zieht jetzt nach. Gemeinsam mit anderen Unternehmerinnen und Sportlerinnen hat sie das Frauenfußballteam des FC Viktoria 1889 Berlin übernommen.
Wir haben Verena zu einem exklusiven Interview getroffen und mit über ihr neues Herzensprojekt gesprochen.
Overview: Verena, du hast gerade gemeinsam mit fünf anderen bekannten Frauen aus der Unternehmens- und Sportwelt ein Fußballteam gekauft. So etwas kennt man sonst nur von russischen Oligarchen.
Verena Pausder: Ja, das stimmt. Wir brauchen den Verein aber nicht als Statussymbol, sondern wollen so etwas wie der Angel City FC in Deutschland werden. Ein Verein, der den Sport nachhaltig verändert. Wir werden Frauenfußball aus der Mitleidsecke holen und die Spiele zu einem Event machen. Und wir werden dafür sorgen, dass Frauen im Fußball und Sportlerinnen insgesamt, besser bezahlt und gefördert werden. Wir treten an für Chancengleichheit im Sport und schaffen nebenbei eine echte Lovebrand, die modern ist und mit deren Werten sich die Fans gerne identifizieren.
O: Also ein eher idealistisches Projekt. Oder lohnt sich Frauenfußball auch als Business-Case?
Verena Pausder: Aktuell liegt Frauenfußball wirtschaftlich leider noch Welten hinter dem Männerfußball zurück. Das schlägt sich am stärksten in den Gehältern nieder, die bei den Männern viele Hundertmal höher liegen als bei den Frauen. Wir wollen beweisen, dass man auch Frauenfußball wirtschaftlich erfolgreich machen und damit Geld verdienen kann.
O: Wie willst du das schaffen?
Verena Pausder: Wir haben ehrgeizige sportliche Ziele. Wir wollen bis 2027 in die erste Bundesliga. Im Moment spielen wir noch Regionalliga. Wir müssen also zweimal aufsteigen. Die Uhr tickt ab jetzt. Und klar, unser weiteres Ziel ist der europäische Fußball. Das ist ambitioniert und wirft natürlich die Frage auf, wie realistisch es ist, in bereits fünf Jahren auf Europa-Niveau mitzuspielen. Aber ein Motto von mir ist: Was ist, wenn es klappt? Wenn wir es uns selbst vorstellen können und es gelingt, Menschen zu inspirieren, die Spielerinnen zu motivieren – dann ist alles möglich.
O: Wie setzt du diese Vision konkret in der Praxis um?
Verena Pausder: Das aktuelle Team spielt schon Regionalliga und ist in der letzten Saison vierter geworden. Darauf bauen wir auf. Wir werden auf jeden Fall perspektivisch neue Spielerinnen in das Team holen und uns weiterentwickeln. Bereits für die neue Saison haben wir uns mit Spielerinnen punktuell verstärkt. Je höher wir in den Ligen kommen, desto mehr Budget werden wir dafür haben und desto besser können wir das Team zusammenstellen, um unser Ziel zu erreichen.
O: Wer ist innerhalb deines sechsköpfigen Gründerinnen-Teams für die sportlichen Entscheidungen zuständig?
Verena Pausder: Wir haben unsere Kompetenzen im Team verteilt: Ariane Hingst ist als ehemalige Fußball-Weltmeisterin, Europameisterin und Bronze-Olympiasiegerin sozusagen die sportliche Speerspitze im Team. Gemeinsam mit unserem sportlichen Leiter Henner Janzen treibt sie die Professionalisierung der Mannschaft voran.
O: Was sind deine Aufgaben?
Verena Pausder: Ich bringe das Startup-Knowhow mit. Wir gründen das Frauenfußballteam des FC Viktoria in eine eigene GmbH aus. Das ermöglicht eine eigenständige Finanzierung abseits des Vereins und die Beteiligung von Investoren und Investorinnen. Ich weiß, wie man diese findet und an Bord holt. Ich kenne mich zudem mit der ganzen betriebswirtschaftlichen und juristischen Seite aus. Gemeinsam mit der Gründerin Katharina Kurz und den Co-Geschäftsführerinnen Lisa Währer und Felicia Mutterer bin ich für die betriebswirtschaftlichen Belange verantwortlich.
O: Professionalisierung im Fußball – das kostet viel Geld. Wie finanzierst du das alles?
Verena Pausder: Wenn man es groß denkt, wollen wir irgendwann ein eigenes Stadion haben. Wir wollen, dass die Marke deutschlandweit bekannt ist, dass wir in der ersten Bundesliga spielen und uns eine große digitale Community aufbauen, die wir über unsere Social-Media-Kanäle mit neuen Bildern und Narrativen begeistern. All das kostet Geld. Dazu kommen natürlich die Kosten vom laufenden Betrieb. Wir starten jetzt aber erstmal mit dem Investment der sechs Gründerinnen und den ersten Investorinnen. Um den Aufstieg in die zweite Liga nachhaltig zu schaffen, brauchen wir aktuell ein siebenstelliges Budget.
O: Wer hat sich denn bislang finanziell beteiligt?
Verena Pausder: Eine ganze Reihe namhafter Investorinnen sind bereits dabei – darunter Franziska van Almsick, Lea-Sophie Cramer und Dunja Hayali. Wir rennen da offene Türen ein und das Thema löst große Begeisterung aus – nicht, weil es die meiste Rendite verspricht, sondern weil es eine Art Social Entrepreneurship ist. Man ist wirtschaftlich an etwas beteiligt, das auch gesellschaftspolitisch große Strahlkraft hat.
O: Suchst du weitere Investoren und Investorinnen?
Verena Pausder: Ja, wir freuen uns über alle, die sich melden, um dabei zu sein. Die Ticketgrößen, um sich zu beteiligen, reichen von mindestens 10.000 Euro bis maximal 100.000 Euro. Wir wollen, dass unser Vorhaben von vielen Investor:innen getragen wird.
O: Wieso habt ihr euch ausgerechnet für den FC Viktoria Berlin entschieden?
Verena Pausder: Wir waren bei der Akquise offen und haben auch bei anderen Berliner Fußballvereinen vorgefühlt. Beim FC Viktoria standen die Türen von Anfang an offen und die Bereitschaft, dieses Experiment mit uns zu wagen, war groß.
O: Du bist Digitalisierungsexpertin, Investorin, berätst Unternehmen und setzt dich für Bildung ein – wieso jetzt auch noch Fußball?
Verena Pausder: Abgesehen davon, dass Fußball der Volkssport Nummer eins in Deutschland ist, liebe ich den Sport einfach. Ich gucke gerne Fußball und spiele selbst seit ich fünf Jahre alt bin – auch heute noch mit meinen Kindern oder bei Elternturnieren im Verein. Mich hat es schon früher fasziniert, dass man gerade beim Fußball als Mädchen immer wieder auf den Platz kommt und erstmal mit so einer Schockstarre angeguckt wird – nach dem Motto „Die will doch jetzt nicht etwa mitspielen?“. Und wenn man dann loslegt, ein Tor schießt und bei der ersten Grätsche nicht heulend zusammenbricht, hat man sich den Respekt des Teams erworben. Dieses Gefühl, ja, ich gehöre hier hin, hat mir schon früh ein unglaubliches Selbstbewusstsein gebracht. Deswegen glaube ich, dass es für Mädchen ein ganz normales Zielbild und nicht mehr nur Ausnahme sein muss, Fußball zu spielen und vielleicht sogar Profi zu werden – mit dem guten Gefühl, dass man als Spielerin von dem Sport auch leben könnte.
Beitragsbild © Filiz Serinyel
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