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Interviews

Can’t Stop Her: Leichtathletin Ruth Spelmeyer über Menstruation und Leistungsfähigkeit im Profisport.

von Hannah
Ruth Spelmeyer Leichtathletin sitzt auf der Wiese

Ruth Spelmeyer spricht offen über das, worüber öffentlich keiner spricht

Ruth Spelmeyers Lauf-Kollegen Maximilian Kessler haben wir euch bereits in einem Interview vorgestellt und gelernt, wie man zum Profisportler werden kann. Auch vom Hauptstadttrainer Erik Jäger wurden wir überzeugt, dass „Jeder Sport kann“. Doch als Frau hat man doch auch mit einigen anderen Umständen zu tun, die unsere Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen. Und genau diesem Thema widmet sich das Projekt #CantStopHer von Adidas. Mit #CantStopHer begleitet Adidas 10 Frauen, die Barrieren und Hindernisse jeglicher Art in ihrem Leben überwinden mussten oder müssen. Ein gemeinsames Ziel ist es, die Ziellinie des Berlin Marathons zu erreichen und die Einstellung zu festigen, dass egal, welches Hindernis einem in den Weg gelegt wird, man dieses meistern kann.

Ruth Spelmeyer im Interview

In einer gemütlichen Fragerunde konnten wir Ruth, die das Projekt als Trainerin begleitet kennenlernen und sie nach ihren Hindernissen befragen. Als Frauen sind wir hormonell bedingten Schwankungen ausgesetzt, die natürlich und/oder künstlich durch Verhütungsmittel entstehen, der Eisprung und die Menstruation. Jedes Mädchen und jede Frau erlebt sie anders. Wir freuen uns sehr, von einer weiblichen Profisportlerin zu erfahren, wie sie damit am besten umgeht, um weiterhin leistungsfähig zu bleiben. Sie erzählt uns, von ihrer Unverträglichkeit der Spirale und ob Tampons, Cups oder Panties am beliebtesten unter Profisportlerinnnen sind.

Overview: Du hattest erwähnt, dass die Spirale negative Auswirkungen auf deine Leistung und dein Wohlbefinden gehabt hat. Kannst du das einmal genauer erläutern?

Ruth Spelmeyer: Der ursprüngliche Grund, warum ich mich für den Wechsel zur Spirale entschieden habe, war, dass ich mir eine Vereinfachung der Verhütung vorgestellt habe. Vor allem in Hinblick auf die vielen Reisen in verschiedenen Zeitzonen und die dementsprechend veränderte Pilleneinnahme. Außerdem wurde mir gesagt, dass die Periode an sich bei vielen Frauen mit der Spirale viel leichter ausfällt. Ich hatte vorher keine Probleme mit der Pille und auch nicht während meiner Tage. Ich dachte mir aber, dass es sich noch besser mit dem Training kombinieren lässt, wenn die Periode abflacht. Das war allerdings alles nicht der Fall. Wenn ich mich vorher gewundert habe, dass manche Frauen so Probleme mit ihren Tagen hatten, weil ich es schlicht nicht nachvollziehen konnte, wusste ich es mit der Spirale ganz genau. Ich hatte meine Tage länger, öfter und so viel stärker als vorher. Dazu kamen Bauch- und Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein, Müdigkeit etc. Also all das, was ich nicht gebrauchen konnte. Ich war während meiner Periode viel weniger leistungsfähig. Hinzukam, dass sich im Nachhinein der Verdacht erhärtet hat, dass die Spirale bei mir ein Absinken meines Östrogenspiegels verursacht hat. Mit einem zu niedrigen Östrogenspiegel in Kombination mit einer hohen körperlichen Belastung, war es quasi nur eine Frage der Zeit bis irgendetwas schief geht. In meinem Fall waren es zwei Ermüdungsbrüche im Schambein, die wir mit dem veränderten Hormonhaushalt in Verbindung bringen. Weil das aber nicht genug ist, musste mir die Spirale auch noch mittels einer Laparoskopie aus dem Bauchraum entfernt werden, wo sie über den Eileiter hingewandert war. Das ist natürlich ein seltener Fall und viele Frauen kommen wunderbar mit der Spirale zurecht. Ich kann aber nur davon abraten und jeder Frau empfehlen, sich wirklich eingehend beraten zu lassen!

O: Wie verhütest du jetzt? Bzw. was ist eine bessere Alternative, die die Leistung und Gesundheit nicht beeinträchtigt?

Ruth Spelmeyer: Ich habe eine Zeit lang gar nicht hormonell verhütet und alles abgesetzt, um meinem Körper die Möglichkeit zu geben, sich von selbst zu regulieren und einen regulären ausgeglichen Hormonhaushalt herzustellen. Will man verlässliche Werte über seinen Hormonstatus erhalten ist es außerdem wichtig, dass bei der Erhebung keine hormonelle Verhütung die Werte verfälscht. Mittlerweile verhüte ich wieder mit der Pille (Microgynon). Vor der Spirale hatte ich keine Probleme damit und jetzt auch nicht. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es auch, so gut es geht, selbst in der Hand haben möchte, wann ich schwanger werde. Nur mit Kondom zu verhüten, wäre mir zu unsicher. Würde ich jetzt schwanger werden, wäre mein Leben als Leistungssportlerin vorbei.

O: Tampons, Cups, Panties, Binden… Es gibt mittlerweile viele Alternativen auf dem Markt. Was wird von Sportlerinnen am liebsten verwendet und warum?

Ruth Spelmeyer: Der Großteil benutzt Tampons, denke ich, weil sie einfach und praktisch sind.

O: Oftmals fühlt frau sich weniger leistungsfähig, schwach und hat ggf. mit (starken) Menstruationsschmerzen zu kämpfen. Wie wirkst du dem entgegen, vor allem, wenn du zum selben Zeitpunkt einen wichtigen Wettkampf haben solltest?

Ruth Spelmeyer: Mit der Pille habe ich zum Glück kaum Beschwerden bzw. bin ich kaum durch meine Periode eingeschränkt. Viel lässt sich da auch nicht machen. Mit der Pille kann man natürlich besser den Zeitpunkt der Blutung bestimmen. Wettkämpfe und Training lassen sich allerdings nicht verschieben. Mit der Spirale hatte ich manchmal die Situation, dass ich mit diesem Gefühl, nicht leistungsfähig zu sein, in den Wettkampf gegangen bin. Man kann natürlich in gewissem Maß Schmerzmittel nehmen, aber wichtig ist hier vor allem, dass man es trotzdem versucht und mit dem Kopf dem körperlichen Gefühl entgegensteuert. Aber auch da gilt meiner Meinung nach, dass man nicht alles aushalten kann und muss. Wenn es absolut nicht geht zu trainieren, muss jeder für sich entscheiden, wo die Grenze ist. Und das gilt nicht nur für Menstruationsschmerzen, sondern auch für andere Arten von Schmerzen. Ein gutes Körpergefühl und eine Balance zwischen Vernunft und Ehrgeiz sind im Sport sehr wichtig insbesondere bei der Vermeidung von Verletzungen.

O: Ist dein Training auf deinen Menstruationszyklus angepasst?

Ruth Spelmeyer: Nein. Ich habe einen festen Trainingsplan, der nicht von meinem Menstruationszyklus abhängig ist. Falls es dazu kommen sollte, dass ich mal einen Tag vollkommen ausgeknockt bin aufgrund meiner Tage, ist es möglich, spontan und flexibel zu reagieren, indem man z. B. Einheiten vertauscht. Das ist allerdings nicht die Regel. Kontinuität ist sehr wichtig im alltäglichen Trainingsrhythmus und -ablauf. Ich habe allerdings auch wenig Beschwerden. Bei Athletinnen, die oft sehr starke Beschwerden aufgrund ihrer Periode haben, ist es sicherlich sinnvoll, den Plan daran etwas anzupassen, um zu verhindern, dass regelmäßig der Trainingsprozess gestört und unterbrochen wird und wichtige Einheiten ausfallen.

O: Würdest du anderen einen angepassten Plan empfehlen?

Ruth Spelmeyer: Ich selbst versuche grundsätzlich gewissenhaft zu prüfen, ob die Beschwerden wirklich so stark sind, dass das Training nicht geht bzw. in welchem Maß es möglich wäre und dann damit offen umzugehen. Ich sage es lieber vor dem Training direkt, um gleich zu überlegen, welcher Trainingsinhalt sinnvoll wäre, als notgedrungen halbherzig zu trainieren und im Nachhinein mit der Sprache rauszurücken. Eine Empfehlung an dieser Stelle abzugeben, fällt mir jedoch schwer. Diese Fragen beantworte ich aus der Perspektive einer Leistungssportlerin und muss daher neben der emotionalen Komponente, die mich mit dem Sport verbindet, auch ganz rational darstellen, dass ich durch den Sport und damit auch mit jeder Trainingseinheit meinen Lebensunterhalt verdiene. Da kann ich es mir schlichtweg nicht leisten, regelmäßig Einheiten ausfallen zu lassen. Dabei ist es dann auch nebensächlich, ob meine Tage oder andere körperliche oder mentale Probleme mich einschränken.

O: Gibt es irgendetwas, was du dir wünschen würdest, dass sich im Leistungssport für Frauen ändert oder wofür es mehr Bewusstsein geben sollte?

Ruth Spelmeyer: Ein umfassenderes medizinisches Herangehen an die Sache und dass für uns andere Regeln gelten, als für Männer. Gerade was Hormone angeht. Dass man Bewusstsein verschafft, dass das oft Sachen sind, die man nicht auf dem Schirm hat, die auch normale Frauenärzte nicht wissen – woher auch. Die haben schließlich nicht täglich mit zehn Leistungssportlern zu tun und wissen nicht unbedingt, dass der Körper unter einer anderen Belastung steht. Auch das Thema Essen ist beim Leistungssport, beim Sport allgemein, für Frauen schwierig. Wir laufen beim Wettkampf halb nackt in der Gegend herum und da ist das Vergleichen extrem. Das wird auch von außen gefördert mit Sprüchen wie „So muss eine Sprinterin aussehen“. Natürlich gibt es bestimmte Dinge, wenn man zum Beispiel zu viel wiegt. Aber was ist schon zu viel? Manchmal ist die Kraft einfach wichtiger, als einfach nur super dünn zu sein. Da gibt es individuelle Unterschiede. Da gibt es auch Trainer, die gerade jungen Mädchen extrem viel abverlangen, die gesagt bekommen wie viel sie wiegen müssen und dauernd auf die Waage müssen. Ich glaube, da kann man sehr viel Schaden anrichten.

O: Änderst du deine Ernährung während dieser Phase, um Defizite (bspw. Eisen-, oder Magnesiummangel) auszugleichen?

Ruth Spelmeyer: Nein, aber ich prüfe regelmäßig meine Blutwerte z. B. auch meinen Eisenspeicher, um Defiziten vorzubeugen, die zu Verletzungen oder Krankheiten führen könnten.

O: Welche Art von Sport machst du an Tagen, an denen du weniger motiviert bist am liebsten?

Ruth Spelmeyer: Ich muss weitestgehend die Einheiten machen, die auf meinem Trainingsplan stehen und kann es mir daher leider nicht nach Gemütslage aussuchen, worauf ich Lust habe. Aber klar, die Motivation ist nicht immer on-point. Ich finde aber oft, dass man sich gerade nach Einheiten, zu denen man sich überwinden musste, besonders gut fühlt.

O: Mit was belohnst du dich, wenn du gewinnst?

Ruth Spelmeyer: Ich mag Taschen. Das gönne ich mir dann hin und wieder. Sonst ist es Essen, das ist ein großer Belohnungsfaktor. Einfach schöne Dinge zu tun, zu sagen wir kochen heute nicht und gehen zwei Tage hintereinander Essen und natürlich Urlaube, sich schöne Ziele raussuchen.

O: Thema Beauty beim Leistungssport – Es heißt ja: Je weniger man am Körper hat, desto besser. Rasierst du jeden Tag deine Beine? Was ist das perfekte Make-up und wäscht du deine Haare jeden Tag? 

Ruth Spelmeyer: Gerade im Winter, wenn man lange Tights anziehen kann, hängt das davon ab wie oft mein Freund zu Hause ist. Wenn er viel unterwegs ist, dann passiert da gar nichts. Meine Haare wasche ich jeden Tag, es sei denn es ist Sonntag und ich muss nirgends hin. Ich habe sehr feines Haar von daher fettet das sehr schnell. Schminken beim Training – mal ja, mal nein. Aber im Sommer, unter warmen Bedingungen im Trainingscamp zum Beispiel, ist es auf jeden Fall angenehmer ohne. Duschen irgendwie dauernd, grade wenn man schwitzt. Aber beim Wettkampf ist Schminken sehr wichtig. Ich könnte nicht ungeschminkt in den Wettkampf gehen, das ist meine Kriegsbemalung. Ich will nach außen zeigen, wie ich mich fühle und zeigen Hier bin ich.

O: Hast du sonstige Hacks für gute Laune oder Motivation zum Sport?

Ruth Spelmeyer: Für mich ist es super hilfreich nicht alleine zu trainieren. Hat man jemanden an seiner Seite, der denselben Weg gehen will, ist das eine große Unterstützung und hilft dabei die Zähne zusammenzubeißen.

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